Reflektionen zu Reflexionen ...

Fred

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... oder auf gut deutsch: Überlegungen bzgl. Spiegelungen akustischer Natur unter besonderer Berücksichtigung der Frontscheibe im Automobil ;).

Vor kurzem wurde in einem Thread hier im Forum die Frage diskutiert, ob es sinnvoll ist, Mitteltöner (von unten) gegen die Frontscheibe spielen zu lassen und ob es dabei nicht zu Problemen kommen könne.

Die Frage wurde empirisch geklärt, da Brettys Aya-Erfolg geradewegs mittels dieser Lautsprecherausrichtung zustande kam.

Die Praxis hat also gezeigt, daß es durchaus möglich ist.
Nach wie vor ungeklärt ist die theoretische Seite der Medaille.

Da ich ein neugieriger Mensch bin, der den Dingen gerne auf den Grund geht, möchte ich auch eine theoretische Begründung hören, warum die meiner Meinung nach äußerst kritische Methode - Lautsprecher über die Frontscheibe reflektieren zu lassen - in der Praxis gut zu funktionieren scheint.

Kann mir jemand eine Erklärung liefern warum das bei Mitteltönern möglich ist, bei Hochtönern nach allgemeinem Konsens jedoch nicht?

Vielleicht können die Akustiker unter uns etwas Licht ins Dunkel bringen.

Viele Grüße
Fred
 
also dann versuche ich mal etwas dazu zu schreiben. ich denke mir einfach mal das man einen sehr guten klang gerade durch reflektionen erzielen kann. es gibt sogar homehifi boxen die nach dem prinzip arbeiten und das sehr gut. das problem bei einem mitteltöner ist das er meistens so eingebaut ist das die windschutzscheibe reflektiert. man hat also einmal den direkten schall vom MT und einmal den reflektierten schall durch die scheibe. deshalb klingt es meistens nicht sehr gut weil man den schall quasi zwei mal hat mit einer gewissen verzögerung. wenn ich jetzt einen der beiden "schallquellen" ausschalte dann würde es besser klingen. da ich aber meistens den MT nicht so einbauen kann, dass die scheibe nicht reflektieren kann geht man einen anderen weg. man baut den MT so ein, dass er gegen die scheibe spielt und so die scheibe den schall auf den hörer wirft. so hat man nur eine "schallquelle" was besser klingt als zwei. zumindest wenn die ausrichtung und abstimmung stimmt.

das hört sich zwar alles sehr einfach an aber in wirklichkeit braucht es ne ewigkeit bis man die richtige abstimmung und ausrichtung gefunden hat. aber wenige sollen es ja geschafft haben und sehr gute ergebnisse erzielt haben.

beim hochtöner würde es theoretisch auch gehen aber die arbeit würde sich keiner machen. ein HT bündelt den schall doch recht stark und außerdem lässt er sich viel leichter auf den fahrer ausrichten weil er halt sehr klein ist im gegensatz zum MT. also richten viele den HT auf sich aus und vermeiden so reflektionen an der scheibe. man hat also auch nur eine "schallquelle".
 
bretty schrieb:
ich hoffe ich habe das auch so richtig verstanden und kanns dir irgendwie wiedergeben

also ein LS strahlt ja den schall recht kugelförmig aus, wird er dann so eingebaut (wie zB. beim konni damals) dann kanns sein das der direkte schall am ohr antrifft aber auch die reflektionen von der seitenscheiben, inwiefern sich das auswirkt :kopfkratz:

bei dem einbau aufs abrett, haste ja keinen direkten schall vom LS sondern ja NUR durch die reflektion von der scheibe.

Bitte berichtigt mich wenn ich was falsch verstanden habe!!!

gruß

Michael

so hatte ichs mal versucht zu erklären aber das wollte Fred net so richtig akzeptieren :keks:

ich denke es liegt einfach daran das es keine "verwaschung" gibt von direktschall des LS und des indirektschalls (reflxionen)

bei dem einbau nach oben wird einfach die reflektion der scheibe sinnvoll ausgenutzt, so das es praktisch nur indirektschall gibt, praktisch keine laufzeitunterschiede von driektschall zu indirektschall

wenn ich irgendwas verdrehe, falsch verstanden habe bitte berichtigen, mich interessiert das auch brennend

gruß

bretty
 
Schöne Erklärung @ Huricane

Ich spreche aus eigener Erfahrung: Ich hab die MTs genau gegen die Scheibe laufen und mir hat jeder prophezeiht, dass es nicht gut klingen wird...tja, jeder der bisher bei mir reingehört hat war doch positiv überrascht :D
Was allerdings logischerweise passiert ist, dass die Bühne im Mitteltönbereich etwas verwäscht...durch die Reflexionen bekommt man halt Phantomschallquellen.
 
Der Dominic hatte das in einem New Beetle auch mal so gemacht, da war es in meinen Ohren ziemlich in die Hose gegangen, zumindest hatte das Auto für mich und mehrere andere überhaupt keinen Fokus mehr, generell war die Bühne sehr komisch.

Scheint also nicht überall so gut zu funktionieren, ich kenne auch wieder andere Autos, wo das top war.
 
@Huricane2033
Hi Pascal,

was Du schreibst klingt recht plausibel!
Jetzt würde mich noch interessieren, ob diese Theorie schon mal durch Messungen untermauert wurde.

Wenn sie richtig ist, dann dürfte bei einem einzelnen Burst ja eigentlich kaum ein verzögertes Signal am Meßmikrofon ankommen (bzw. halt mit einer sehr kleinen Amplitude).

Ich habe zwar die Meßeinrichtung um den Versuch durchzuführen, leider aber kein entsprechend aufgebautes Auto zur Verfügung.

Hat das jemand schon gemacht (Diabolo vielleicht)?

Viele Grüße
Fred
 
bretty schrieb:
ich denke es liegt einfach daran das es keine "verwaschung" gibt von direktschall des LS und des indirektschalls (reflxionen)

Praios schrieb:
Was allerdings logischerweise passiert ist, dass die Bühne im Mitteltönbereich etwas verwäscht...durch die Reflexionen bekommt man halt Phantomschallquellen.

Das scheinen mir doch recht widersprüchliche Aussagen zu sein ;)
Wer hat recht :kopfkratz:

Viele Grüße
Fred
 
Huricane2033 schrieb:
das hört sich zwar alles sehr einfach an aber in wirklichkeit braucht es ne ewigkeit bis man die richtige abstimmung und ausrichtung gefunden hat. aber wenige sollen es ja geschafft haben und sehr gute ergebnisse erzielt haben.
Hi Pascal,

was genau meinst Du mit "Abstimmung"?
Den Frequenzgang, die LZK oder was ganz anderes?

Viele Grüße
Fred
 
ALso zu meiner Aussage: Der Schall wird über die Scheibe reflektiert, und da der Mitteltonbereich nicht so stark bündelt wie der Hochtonbereich, wird der Schall über eine große Fläche auf der Scheibe "umgelenkt" (mit der gebogenen Scheibe sogar sehr diffus).
 
Bolle schrieb:
Der Dominic hatte das in einem New Beetle auch mal so gemacht, da war es in meinen Ohren ziemlich in die Hose gegangen, zumindest hatte das Auto für mich und mehrere andere überhaupt keinen Fokus mehr, generell war die Bühne sehr komisch.

Scheint also nicht überall so gut zu funktionieren, ich kenne auch wieder andere Autos, wo das top war.

Ein New Beetle ist aber generell ein sehr kritisches (konstruktionsbedingt) Auto, was die Bühne angeht. Würde ich nicht als Referenz nehmen.

Wie würde es aussehen, wenn man mit einem "Tunnel" über dem MT experementiert?
Zwecks Bündelung und Ausschaltung der Phantomschallquellen.

Ich habe ähnliche Erfahrungen mit meinen HT. Habe die Exact DN26 in meinem Bulli T3 (sehr breites AB, grosser Abstandsunterschied zw. rechtem und linkem HT) in kleinen Tunneln verbaut, und mit einfachsten Mitteln (Rockford HU + Exact + Protovision) einen Ansatz von Bühne erreichen können.

Gruss
Andreas

P.S.: sehr interessantes Thema!
 
Praios schrieb:
ALso zu meiner Aussage: Der Schall wird über die Scheibe reflektiert, und da der Mitteltonbereich nicht so stark bündelt wie der Hochtonbereich, wird der Schall über eine große Fläche auf der Scheibe "umgelenkt" (mit der gebogenen Scheibe sogar sehr diffus).

Hi Patrick,
das würde dann doch bedeuten, daß sehr viele Echos des Originalsignals mit verschiedenen Laufzeiten am Ohr (oder Meßmikrofon) ankommen, die in etwa die gleiche Amplitude aufweisen.

Theoretisch klingt das sehr grausam für mich :???:

Viele Grüße
Fred
 
Theoretisch ja. Aber wie gesagt, ich habs in der Art aufgebaut und bei mir klingts?!?
 
Ich habe auch nix von Referenz geschrieben sondern nur, daß es nicht überall so einfach funktioniert.
 
Hi,

Fred schrieb:
Kann mir jemand eine Erklärung liefern warum das bei Mitteltönern möglich ist, bei Hochtönern nach allgemeinem Konsens jedoch nicht?

ich wüsste nicht, wieso das allgemeiner Konsens sein sollte ;) In vielen Autos vom Oki strahlt der HT nach oben gegen die Scheibe und es funktioniert genauso.

Ich habe ja schon in dem anderen Threat geschrieben, dass es wahrscheinlich darauf ankommt in welchem zeitlichen Abstand der Difusschall im Verhältnis zum Direktschall am Ohr ankommt. Aus diesem Grund brauchen offene Schallwände auch Abstand zu den sie umgebenden Wänden. Aus diesem Grund scheint es manchmal wohl der beste Kompromiss zu sein, wenn der MT liegend nach oben spielt.

Gruß, Mirko
 
Achtung!! Viel zu lesen!!

Hallo Fred,
ich versuch das ganze mal etwas theoretischer anzupacken.

Bei der Positionierung der LS am Amaturenbrett gibt es einige Sachen zu beachten:

Zunächst gibt es hierbei zu beachten, dass gerade in dieser Position der sog. "Trichtereffekt" besonders zur Geltung kommt.

Durch die Positionierung in einer trichterförmigen Umgebung wird der abgestrahlte Strahl nicht unerheblich beeinlusst.
Der Schalldruck wird verstärkt.
Viele werden diesen Effekt von den Bose-Home-Hifi-Subwoofern kennen.
Funktionieren im Wohnzimmer in einer Ecke halbwegs vernünftig, sind aber für den Einsatz in "offeneren" Umgebungen nur bedingt geeignet.

Dies geschieht natürlich frequenzabhängig (wär ja sonst viel zu schön um wahr zu sein).
Der Frequenzgang ist also nicht mehr mit dem des LS an einer unendlichen Schallwand zu vergleichen.
Es kommt zu dem, was viele mit Verfärbung des Klangs beschreiben.

Es kommt hinzu, dass Glas ein sehr schallhartes Material ist.
Der Lautsprecher ist physikalisch gesehen ein Kugelstrahler.
Das heißt er strahlt im Betrieb in alle Richtungen ab.
Zu den Reflexionen an den Seitenscheiben, kommen in diesem Fall noch starke Reflexionen an der Windschutzscheibe hinzu.
Das Diffusfeld in der Fahrgastzelle wird verstärkt. Die Konsequenzen hieraus sind Auslöschungen und Überhöhungen.

Bisher geschah alles im Frequenzbereich.

Zu den spektralen Veränderungen kommen auch Einflüsse im Zeitbereich.

Da es durch die Kugelcharakteristik des LS mehrere, unterschiedlich lange Schallwege von der Membran zum Fahrerohr gibt, kommt es zwangsläufig zu Laufzeitunterschieden.

Bei Schallereignissen mit einmaliger Reflexion gilt für die Lokalisierung der Schallquelle der Haas-Effekt (auch Gesetz der ersten Wellenfront genannt).

Bei Laufzeitdifferenzen bis ca. 30ms (entprechen ca. 10.3m) lokalisiert der Mensch die Schallquelle anhand der ersten Wellenfront.

Unabhängig davon, aus welcher Richtung der Reflexionsschall kommt (aber auch nur, wenn dieser nicht lauter ist, als der direkte Schall; ist rein physikalisch gesehen ohne weitere Energiezufuhr nicht möglich) wird nur die direkte Schallquelle lokalisiert.

Erst bei größeren Laufzeitunterschieden wird der Reflexionsschall als zweite Schallquelle wahrgenommen. Dieser Effekt gilt im Prinzip aber nur bei einmaliger Reflexion.

Es kommt also sehr stark darauf an, wie die Umgebung des LS ist. Wenn der LS also sehr stark auf die Frontscheibe ausgerichtet ist und Reflexionen von den Seitenscheiben nur sehr eingeschränkt vorhanden sind, wird man keine "Phantomschallquellen" wahrnehmen können.

Oder anders gesagt: Eine punktuelle Darstellung des Schallsignals ist durchaus möglich.

Das andere extrem ist hierbei sicherlich der Beetle. Viel Glas um den LS rum, das auch noch gebogen ist und somit auch relativ viel Schall an die Seitenscheiben reflektiert.

Hier gilt: punktgenaue Darstellung ist nicht einfach.

Anders herum gilt aber, je weniger punktgenau die Darstellung ist, umso mehr kommt dies auch der Bühnenbreite und -tiefe zugute.

Man kennt das von den ersten EQ mit Hall-Einstellung. Viel Hall soll hierbei eine große Kapelle oder ein Konzertsaal suggerieren.

Soweit zu den beiden "Grenzfällen". Die Realität liegt wiedermal irgendwo dazwischen (je nach Beschaffenheit und Oberflächen des Innenraumes).

Man kann die zeitlichen und spektralen Eigenschaften eines Aufstellungsortes anhand von Transferfunktionen (TF) beschreiben.
TF beschreiben hierbei nur die Eigenschaften des Übertragungspfades, ganz unabhängig vom zu übertragenden Signal. Der Transferpfad wird in Zeit und Frequenz
beschrieben, so dass man danach simulieren/berechnen kann, wie eine Schallquelle aus dem Freifeld in einem bestimmten Einbauort über diesen TF "klingt".

So, dass war jetzt relativ viel Lesestoff, zudem noch theoretisch. Aber war ja gewünscht.

Als abschließendes Fazit bleibt eigentlich nur noch festzuhalten:

Beides kann funktionieren.
Direkte, sowie indirekte Ausrichtung haben ihre Vor- und Nachteile, die in den Griff zu bekommen sind. Und gerade das macht das Hobby so interessant.

Also bis dann,

ciao Johann
 
Hi Johann,

um es mal in bestem Klangfuzzideutsch zu sagen:
Herzliche Danksagungen für die zahlreichen theoretischen Erhellungen die Du uns durch Deine Denkungen und Schreibungen zu so später Stunde noch beschert hast!

Ich habe mich bemüht Deinen Ausführungen zu folgen und ich glaube auch, daß es mir leidlich gelungen ist.

Eines ist mir jedoch noch nicht ganz klar. Du beschreibst "den Lautsprecher" als Kugelstrahler. Ist das die Voraussetzung für die Verhaltensweisen des Schalls, die Du dann schilderst?

Wenn ja, trifft dann alles Weitere auch auf Mitteltöner zu, die den Schall in ihrem Frequenzbereich ja bereits kräftig bündeln?

Viele Grüßungen
Fred
 
Hi Fred,

habe gerade beim nochmaligem lesen gemerkt, wie spät es war. Sind halt doch einige Vertipper drin.

Der Text hat auch keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Ich bin auf die Haupteffekte eingegangen bzw. habe mir zu denen Gedanken gemacht.

Man unterscheidet in der Akustik im allgemeinen unter zwei "Strahlertypen":

- Linienstrahler (z.B. ein Zug oder Autobahn bzw die Fahrzeuge, die auf ihr fahren)

- Kugelstrahler (halt unser geliebter LS)

Die Unterschiede zwischen den beiden Typen liegen, neben der Abstrahlungsform insbesondere in der Anwendung des Abstandsgesetzes.

Kurz und verständlich gesagt: Man kann berechnen, wieviel Schalldruck in einem betrachteten Abstand ankommt. Die Berechnung unterscheidet sich hierbei ein wenig (wenn auch nur marginal). Bei den Entfernungen im Auto (1-3m) ist der Unterschied größenordnungsmäßig zu vernachlässigen.

Gnerell gilt:

Akustische Effekte sind unabhängig vom Typ der Schallquelle. Die einzige zwingende Bedingung ist, dass Schallwellen emittiert werden.

Der Effekt der Schallbündelung hat eine andere Begründung:

Der LS ist streng genommen, so wie wir ihn kennen rein physikalisch kein idealer Kugelstrahler.

Der ideale Kugelstrahler ist kugelförmig (hätte man sich auch denken können.). Bei der Abstrahlung bläht sich die Oberfläche insgesamt auf und zieht sich dann wieder zusammen.

Ähnlich wie ein Luftballon, der ganz schnell aufgeblasen wird und bei dem dann ganz schnell wieder die Luft abgelassen wird.

Der Lautsprecher führt nun aber eine translatorische Bewegung durch. Sollte er zumindest, ansonsten Aufhängung bzw. Zentrierung der Membran überprüfen.

D.h. die Membran verschiebt eine zylinderförmige Luftsäule.

Für große Wellenlängen strahlt die Membran trotzdem Kugelwellen ab.

Sobald die Wellenlänge in die Größenordnung des Membrandurchmessers kommt (Faustregel: halbe Wellenlänge = Membrandurchmesser),
beginnt der LS zu bündeln.

Wichtig hierbei: bündeln heißt nicht, dass in die anderen Richtungen kein Schall mehr abgestrahlt wird. Es wird nur nicht genau so viel Schall wie auf der LS-Achse abgestrahlt.

Diese Effekte sind für alle LS gültig, die eine rein translatorische Bewegung durchführen (also Subwoofer, TT und natürlich auch MT).
Je nach Membranabmessungen tritt die Bündelung in einem anderen Frequenzbereich ein.

Waren jetzt wieder mal ein paar Zeilen mehr. Aber man könnte noch stundenlang darüber fachsimpeln.

ciao Johann
 
Hi Johann,

Waren jetzt wieder mal ein paar Zeilen mehr. Aber man könnte noch stundenlang darüber fachsimpeln.

Dann laß uns das doch demnächst mal tun!

Viele Grüße
Fred
 
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