Fahrzeugakustik

  • Ersteller Ersteller Guest
  • Erstellt am Erstellt am
G

Guest

Guest
Fahrzeugakustik
Ziel dieser Diskussion sind diverse Aspekte einer guten Musikreproduktion in einem Fahrzeug.

Die akustische Räumlichkeit in einem Fahrzeug ist eine der schwierigsten Umgebungen um ein Sound System zu installieren.
Der kleine Raum und die sich abwechselnden absorbierenden und reflektierenden Flächen verursachen viele Probleme wenn man ein System auf Sound-Quality hin optimieren möchte. Andererseits macht es der kleine Raum möglich einen Schalldruck(SPL) bei niedrigen Frequenzen zu erzeugen, was normalerweise viel mehr Leistung und Speaker in einer größeren Räumlichkeit benötigen würde.

Stehenden Wellen

Wenn man ein System plant, dann sollte man den Effekt der stehenden Wellen mitberücksichtigen. Oft als „Moden“ bezeichnet verursachen sie mit die größten Probleme in solch einer Umgebung. Überall wo Musik in einem geschlossenen Raum läuft werden Moden vorhanden sein.
Stehende Wellen entstehen bei Frequenzen deren Wellenlänge die hälfte des Abstandes der begrenzenden Wände entsprechen. In Autos befinden sich stehende Wellen in Bereich zwischen 50Hz und 200Hz je nach Größe des Innenraums.
Es ist wichtig sich klarzumachen, dass mehrere Moden vorzufinden sind, die je nach Überlagerung große „Dips“(Senke) oder „Peaks“(Überhöhung) verursachen. Verschiedene Phasenwinkel sind der Grund dafür.
Wellen mit derselben Frequenz und mit demselben Phasenwinkel addieren sich und verursachen einen Peak bei dieser Frequenz:

Den Effekt der stehenden Wellen sieht man sehr deutlich bei einer Messung im Fahrzeug. Variiert man Ort der Messung wird man unterschiedliche Amplituden messen. Deshalb ist es wichtig in einem Fahrzeug mehrere Messungen durchzuführen um diese dann zu „Mitteln“. Diese Technik nennt sich „Spatial Averaging“.

Druckkammereffekt

Ein anderer großer Faktor der tiefe Frequenzen beeinflusst nennt sich Druckkammereffekt, der von Lautsprechern in einer geschlossenen Umgebung erzeugt wird. Wenn ein bestimmtes Luftvolumen verschlossen wird, dann wird dies einen Effekt auf die Tieftonwiedergabe eines Lautsprechers haben.
Der Effekt schlägt sich in einem dramatischen Amplitudenanstieg (SPL wird höher) zu tieferen Frequenzen nieder. Dieser Amplitudenanstieg lässt sich nutzen, um den natürlichen „Rolloff“ eines Subwoofers zu begradigen und um den Frequenzgang nach unten zu erweitern.
Die „Ausdehnung“ dieses Effektes hängt von der Fahrgastzelle und deren Verlust (Leakage) ab. Der Verlust ist die Menge an Luft, die aus dem Fahrzeug austritt (verursacht durch offene Fenster, Löcher, etc… aber auch durch das aufpumpen der ganzen Karosserie).

Die Membranfläche eines Lautsprechers, welcher für dieses Spektrum (Frequenzbereich) benutzt wird, beeinflusst die Stärke (Boost) dieses Effekts drastisch. Eine große Membran wird den Tieftonanstieg mehr beeinflussen und anheben wie eine kleine. Dabei spielt es keine Rolle, ob eine große oder mehrere kleine zur Verwendung kommt.

Das folgende Diagramm zeigt einen 15’’ Speaker, in einem kleinen geschlossenen Raum (3m^3). Moden sind nicht inkludiert.


Beispiel anhand eines Bandpassgehäuses:

Messung im Freifeld:

Messung im Fahrzeug:

Man beachte den drastischen Boost bei 50Hz. Die scharfe Spitze ist typisch für Bandpässe in Fahrzeugen.

Ich möchte an dieser Stelle noch ein paar Lektürevorschläge angeben:
- Technische Akustik von Cremer/Hubert
Deckt die ganze Akustik knapp und theoretisch ab. Gut für Student/Fachmann
-Taschenbuch der technischen Akustik von Müller/Möser
Es gibt wohl kaum ein umfangreicheres Buch. Sehr theoretisch und teuer.
- Akustik von Kuttruff
Das perfekte Allround Akustik Buch. Auch für einen Laien geeignet, obwohl auch Theorie vorhanden ist.
Will man in die Materie einsteigen ein muss, obwohl nicht billig.

Vielleicht macht dieser Beitrag einigen "einiges" verständlicher.
 
Sehr feiner Beitrag, was mich noch interessieren würde, in welchem Auto wurde die Messung mit den Bandpässen gemacht? Welche Grösse hatte das Auto?

MfG
Heine
 
Sehr feiner Beitrag, was mich noch interessieren würde, in welchem Auto wurde die Messung mit den Bandpässen gemacht? Welche Grösse hatte das Auto?
Fiat Doblo. Hat ca. 3m^3 Volumen. Also groß. In kleineren Autos erzielt man aber ähnliche Ergebnisse.
 
Hast du in dem einen Bild nicht Wellenknoten und Wellenbauch vertauscht?
 
Hast du in dem einen Bild nicht Wellenknoten und Wellenbauch vertauscht?
Bezieht sich auf die sich bildende stehende Welle und nicht auf die einzelnen Wellen.
Das Bildchen findet sich auch in Wikipedia wieder.

Am Rande:
Die Antwort auf Fragen (PN): "Darf ich Sie was fragen?" lautet :NEIN , denn ich bin der Fürst der Dunkelheit und spieße alle mit meinen Hörnern, die ich im Alltag unter meinem Haartoupet trage, auf!!!
 
Hach ja, ich lieeeebe Sarkasmus.

Aber mal Spass beiseite. Sehr interessanter Thread, das mit dem Druckkammereffekt hab ich zwar schon gewusst, aber eine praxisnahe direkte Messung ist halt doch was Anderes :thumbsup: .

Die maximale Anhebung beim Druckkammereffekt, liegt immer bei der Fahrzeugreso, richtig? Oder steigt die mit der sinkenden Frequenz weiter an?


MfG
Heine
 
Die maximale Anhebung beim Druckkammereffekt, liegt immer bei der Fahrzeugreso, richtig? Oder steigt die mit der sinkenden Frequenz weiter an?

Messungen im Infraschallbereich sind mitunter sehr schwierig und aufwändig. Eine ausgeprägte Resonanz wie die eines Lautsprechers hat ein Auto nicht, aber es gibt ein Maximum. Also richtig.
 
Ja ja der Nico is n ganz böser, da ist Vorsicht angesagt! ;) :keks:

Sorry für kurzes OT:
Ist euer Aura Democar eigentlich inzwischen fertig, Nico?
Ich hatte ja gehofft, dieses Jahr in Sinsheim mal n bisschen was hören zu können nachdem das Auto letztes Jahr noch nicht fertig war, aber ihr wart ja dieses Jahr leider nicht da...

Kannst ja wenn du willst auch per PN antworten, um in dem Thread beim Thema zu bleiben.

Mfg, Philipp

P.S. Finde deine Beiträge hier in letzter Zeit top, da lernt man wirklich was! :thumbsup:
 
Moin Nico,

für Deinen Beitrag. :thumbsup:

... was noch zu erwähnen wäre: die Laufzeit aller Signale muß übereinstimmen/passen! => Linke Seite zur rechten Seite, TMT zum HT, Sub zum Frontsystem.

==>> Willkommen in der elektronisch einstellbaren Hölle ! :hammer:
 
Hallo,

super Beitrag, aber... :D

Worauf beruht denn physikalisch gesehen der Effekt, der vor allem in Kleinwägen auftritt und dazu führt, dass bei geöffneten Fenstern der Tiefbassbereich nochmal (teilweise drastisch) angehoben wird?

Denn das stünde ja dem Druckkammereffekt genau entgegen...

Gruß
Marco
 
Guten Tag.

Zu
..... Tiefbassbereich nochmal (teilweise drastisch) angehoben wird?
Die Pegelanhebung durch das Öffnen eines vorderen Fensters um einige cm betrifft meist der Bereich um 40-50 Hz, darunter ist diese Masnahme bezüglich des Pegels kontraproduktiv sprich es wird es leisser als bei geschlossenen Fenstern.

Der Bereich um 40-50 Hz wird jedoch teilweise als angenehmer, manchmal subjektiv sogar tiefer als tatsächlich tiefere Frquenzen empfunden.

Da dies der Thread vom Nico ist mag er vielleicht auch gern selbst die Ursachen hierfür schildern, ansonsten gibt es, vermute ich, kompetente Forumsteilnehmer aus der SPL Fraktion.

Gute Zeit
 
Soundcento schrieb:
Worauf beruht denn physikalisch gesehen der Effekt, der vor allem in Kleinwägen auftritt und dazu führt, dass bei geöffneten Fenstern der Tiefbassbereich nochmal (teilweise drastisch) angehoben wird?
Ich vermute mal, das hat mit stehenden Wellen zu tun. Diese sind gerade bei kleineren Fahrzeugen bei geöffnetem Fenster bzw. bei geöffneter Tür weniger stark ausgeprägt.

Korrigiert mich bitte, wenn ich falsch liege.
 
Wenn ich das Fenster öffne, dann habe ich quasi ein Gehäuse im Gehäuse. Das Fenster fungiert als Port. Daraus resultiert ein kleiner Peak. Der Sub drückt praktisch die Luft aus dem Fenster.

Manch einer kennt das folgende Problem. Wenn man das Fenster ein Stück runtermacht und eine bestimmte Geschwindigkeit fährt, dann flattert es. Das ist eine Helmholzresonanz mit sehr niedriger Frequenz. Und das kann sehr laut und nervig sein...
 
Wenn ich bei mir z.B. bei 20Hz die Tür ein STück aufmache, habe ich einen deutichen Pegelgewinn, mache ich sie weiter auf,wirds wieder leiser. Man sitzt quasi in der ventilierten Kammer eines großen Bandpaßgehäuses - würd ich mal so sagen.
 
Moin Nico,

wie oben schon geschrieben, find ich den Thread gut,
aber irgendwie fehlt die Bewegung und Diskussion hier. :D

deshalb nimms mir bitte nicht übel, wenn ich ein paar "einfache" Verständnisfragen stelle:
1. kannst Du vielleicht jenen Jüngern erklären, die kein Messequipment handhaben können,
wie man diese Raummoden vermeidet? bzw. worin die hörbaren Unterschiede liegen / gibt es denn überhaupt einen hörbaren Unterschied?.
(alternativ auch andersherum: bitte den Jüngern mit Messequipment erklären, woran man Raummoden bei der Messung erkennt! :ugly:)

2. wenn man sich das erste Schaubild anschaut: kommt es wirklich darauf an, dass sich die Wellen in der "Mitte" treffen, oder wo liegt der Bezugspunkt?

das sollte erstmal reichen
 
Zurück
Oben Unten